Es gibt Wissen, welches wir uns durch Ausbildungen und Bücher aneignen. Und dann gibt es da noch das Erfahrungswissen. Erfahrungswissen ist das Wissen, was du dir, wie der Name schon sagt, nur über (jahrelange) eigene Erfahrung aneignest - es ist etwas, was du nicht einfach lernen kannst.
Von diesem Erfahrungswissen ausgehend, ist es allen Meditierenden dieser Erde schon immer klar gewesen: Meditation verändert dein Denken, dein Handeln, dein Sein. Und mittlerweile kann das sogar die Wissenschaft belegen: Meditation verändert nachweislich dein Gehirn, dessen Ströme und Strukturen.
Doch in welchem Ausmaß? Und muss man dafür wirklich mehrere Stunden täglich meditieren oder reichen vielleicht schon 10 Minuten?
Doch meist scheuen wir die Stille genau dann, wenn wir sie am meisten brauchen, aus Angst überrannt zu werden von der Lautstärke und Intensität unserer eigenen Gedanken und Gefühle.
Meditation als Jungbrunnen?
Meditation und mentales Training kann dem Altern entgegenwirken. An unseren Chromosomen befinden sich die sog. Telomere. Die Länge dieser Telomere sagt einiges über unsere Gesundheit aus und kann als Biomarker für das Altern verwendet werden. Kürzere Telomere werden mit Übergewicht, aber auch mit psychologischen Faktoren, wie z.B. chronischem Stress und Einsamkeit in Zusammenhang gebracht.
In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Meditation in der Lange ist, die Telomere in ihrer Länge zu verändern und somit gegen das Altern helfen kann. Auch erklärt dieses Phänomen, weshalb Meditation schon in vielen anderen Studien nachweislich bei der Stressreduktion hilft. Denn wenn kurze Telomere das Risiko für chronischen Stress erhöhen, sorgen lange Telomere im Umkehrschluss dafür dass Stress reduziert wird. Einher mit der Veränderung der Telomerlänge geht auch die Zunahme der Dicke der Gehirnrinde.
Meditation als Hilfe bei der Emotionsregulation
Meditation verändert die Amygdala, der Gehirnbereich, der Emotionen regelt und vor allem für Angstempfinden zuständig ist. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Achtsamkeitstraining und Meditation diesen Bereich verändert. In einer Studie wurden erfahrene Meditierende (>1000 Stunden) und Anfänger miteinander verglichen. Bei den Erfahrenen konnte festgestellt werden, dass sie Emotionen, die auftreten, wenn positive, negative und neutrale Bilder gezeigt werden, besser regulieren und verarbeiten können.
Wie lange muss man denn nun meditieren?
Kurz gesagt: je länger desto besser. Denn je erfahrener die Meditierenden, desto stabiler und zuverlässiger scheinen die emotionalen Reaktionen aufgrund der nachhaltig veränderten Gehirnstruktur zu sein. Jedoch konnte in Bezug auf das kurzzeitige Stressempfinden kein Unterschied zwischen einer 10- und einer 20-minütigen Meditation ausgemacht werden. Möchte man demnach seine akute Stresswahrnehmung verbessern, reichen auch 10 Minuten Meditation aus. Um jedoch langfristige Veränderungen des Gehirns erreichen zu können, benötigt es mehrere Stunden und somit Jahre an Meditationspraxis.
Aber es zahlt sich aus. Und ist dabei komplett kostenlos. Das einzige, was es braucht ist deine Zeit, Disziplin und volle Aufmerksamkeit. Doch genau dies sind heutzutage auch eben die Dinge, von denen wir gefühlt viel zu wenig besitzen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sich einfach auszahlt Meditation als Hygiene für das Gehirn anzusehen. Wie Zähneputzen für die Mundhygiene. Also am besten täglich und für den Rest deines Lebens.
Persönliche Erfahrung
Meine Meditationspraxis hat vor ca. 8 Jahren begonnen. Damals war ich 22 und demnach war es eher eine On and Off Beziehung, gerade auch, weil niemand sonst in meinem Umfeld etwas damit anfangen konnte und ich keine Lehrer oder gar Mentoren hatte. Trotzdem spürte ich mit jeder Einheit, dass sie etwas veränderte. Ich wurde ruhiger, reagierte wesentlich besser auf Stresssituationen, Prüfungen in der Uni fielen mir nicht mehr schwer und ich begann mehr im Jetzt zu leben.
Als dann eine Zeit in meinem Leben kam, in der ich mich einfach nicht überwinden konnte, mich in Stille hinzusetzen, spürte ich auch das. Und im Nachhinein wurde mir klar, dass ich mich genau in dieser Zeit hätte zwingen müssen um den Teufelskreis zu durchbrechen. Doch meist scheuen wir die Stille genau dann, wenn wir sie am meisten brauchen, aus Angst überrannt zu werden von der Lautstärke und Intensität unserer eigenen Gedanken und Gefühle.
Vor allem seit meiner ersten Schwangerschaft bin ich sehr diszipliniert in meiner Meditationspraxis. Natürlich schaffe ich es momentan als Zweifach Mama nicht, mich zweimal am Tag für 30 Minuten auf mein Meditationskissen zu setzen (hach, was wäre das ein Luxus), aber dennoch versuche ich täglich mindestens 20 Minuten Stille zu genießen. Und an ganz stressigen Tagen dürfen dann auch "nur" 15 Minuten reichen. Und dann denke ich an die Zeit zurück, in der 10 Minuten Meditation schon ein ganzer Erfolg gewesen sind und muss lächeln, in dem Wissen, wie weit ich auf diesem Weg nun schon gehen durfte.
Es ist kein Kurzzeitprogramm, es gibt keinen schnellen und kurzen Weg hin zu wirklicher Veränderung. Aber wenn du gewillt bist, es in deinen Alltag zu integrieren und eine lebenslängliche Beziehung mit deiner geistigen Gesundheit einzugehen, wirst du es keinen Tag mehr bereuen - und das unterstreicht mittlerweile ja zum Glück auch die Wissenschaft.
Meditierst du schon? Wie sind deine Erfahrungen? Oder hast du vielleicht spezielle Fragen zum Thema?
Quellen:
Conklin QA, King BG, Zanesco AP, Lin J, Hamidi AB, Pokorny JJ, Álvarez-López MJ, Cosín-Tomás M, Huang C, Kaliman P, Epel ES, Saron CD. Insight meditation and telomere biology: The effects of intensive retreat and the moderating role of personality. Brain Behav Immun. 2018 May;70:233-245. doi: 10.1016/j.bbi.2018.03.003. Epub 2018 Mar 5. Erratum in: Brain Behav Immun. 2018 Oct;73:736-737. PMID: 29518528.
Puhlmann LMC, Valk SL, Engert V, Bernhardt BC, Lin J, Epel ES, Vrticka P, Singer T. Association of Short-term Change in Leukocyte Telomere Length With Cortical Thickness and Outcomes of Mental Training Among Healthy Adults: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2019 Sep 4;2(9):e199687. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2019.9687. PMID: 31553468; PMCID: PMC6763984.
Quinn A. Conklin, Brandon G. King, Anthony P. Zanesco, Jue Lin, Anahita B. Hamidi, Jennifer J. Pokorny, María Jesús Álvarez-López, Marta Cosín-Tomás, Colin Huang, Perla Kaliman, Elissa S. Epel, Clifford D. Saron, Insight meditation and telomere biology: The effects of intensive retreat and the moderating role of personality, Brain, Behavior, and Immunity, Volume 70, 2018,Pages 233-245, ISSN 0889-1591,
https://doi.org/10.1016/j.bbi.2018.03.003.
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